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Mein persönlicher Jahresrückblick

Es ist weit nach Mitternacht. Ich sitze auf dem Sofa und das ausklingende Jahr zeigt mir nochmal richtig, was eine Harke ist. Ich hatte einen kurzen, aber heftigen Infekt. Der hat mich richtig flach gelegt und war zwar schnell wieder vorbei, hinterlässt aber so ein Dauerschwindelgefühl und mein Kreislauf will sich einfach nicht wieder berappeln. Paradoxerweise kann ich dennoch nicht mehr schlafen, weil ich von den letzten 48 Stunden ungefähr schon 36 verschlafen habe. Also kann ich auch auf dem Sofa sitzen und bloggend über das vergangene Jahr nachdenken.

Es begann recht harmlos, schien fast, als wollte es gar nicht richtig in Schwung kommen, und dann wurde es doch sehr bewegend. Ich habe mich noch nie zuvor so mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt wie in diesem Jahr. Und entscheidend hilfreich dafür war: ich konnte nun endlich auch über einiges sprechen. Weil ich endlich angefangen habe, darüber zu sprechen,,, 

Kurz vor Ostern war ich das erste Mal mit meiner gesamten Familie am Ort meiner Kindheit. Meine Kinder lernten den Ort kennen, an dem ich aufgewachsen bin. Meine Kinder trafen meine Mutter. Das große Kind zum zweiten Mal, das kleine Kind zum ersten Mal im Leben. Und so schwierig sich das zu diesem Zeitpunkt für mich anfühlte, so ernüchternd traurig ist das aus heutiger Sicht - nur 9 Monate später. Wenn man doch nur gewusst hätte, dass das für die drei auch die letzte Begegnung sein würde... wenn man es gewusst hätte? Was wäre anders gewesen? Es wäre vermutlich noch beklemmender gewesen. Noch schwieriger. Trotzdem: ich wünsche mir, ich hätte eine Ahnung gehabt... Anfang Oktober war ich wieder da. Aber allein, um meine Mutter in ihren letzten Stunden beim Sterben zu begleiten und Ende Oktober dann wieder mit der ganzen Familie zu ihrer Trauerfeier. Es war den Kindern wichtig, dabei zu sein. Und mir war die Geschlossenheit wichtig. Es war gut so. Mittlerweile sind auch alle Papiere der Reederei bei mir angekommen. Ich weiß nun, dass meine Mutter am 16. November ihre endgültige letzte Ruhe in der Ostsee gefunden hat. Ich kenne die genauen Koordinaten, den Namen des Schiffes ("Mirage") und weiß, wo der Gedenkstein dieser Seebestattungsstelle zu finden ist. Und nun ist mir auch klar, dass das alles viel schwieriger zu verarbeiten ist, als ich vorher jemals gedacht hätte. Nicht, nach allem was war. Oder vielleicht gerade deswegen. Ich weiß es nicht...

Irgendwo dazwischen ist noch ganz viel Jahr übrig. Ich hielt einige Babies im Arm, lernte neue Menschen kennen und schätzen, traf ganz alte Freunde wieder und fand heraus, dass manche alte Freundschaften einfach doch für immer sind, egal wie groß die Lücken sind, die sich manchmal lebensbedingt zwischen zwei Menschen auftun. Wir feierten die Hochzeit von Freunden und wir waren seit Ewigkeiten mal wieder an einem Lieblingsort: in der Bretagne. Wie notwendig das zu diesem Zeitpunkt war! Außerdem haben wir das kleine Kind eingeschult und ich darf sie nun eigentlich nicht mehr kleines Kind nennen :-) Wir haben zwei wundervolle große Schulkinder. Es ist toll, zu sehen, wie sie sich entwickeln, groß und immer selbständiger werden und sich eigene Meinungen bilden. Sie sind immer mehr nicht mehr nur die kleinen hilflosen Wesen, für die man verantwortlich ist, sondern werden immer mehr große Leute, mit denen man eben das Leben teilt. Sie wissen sehr genau, was sie wollen. Das kollidiert zwar mitunter mit dem, was wir wollen, aber genau so ist es nun mal vorgesehen. Sie wachsen an den Aufgaben, die ihnen das Leben stellt - und teilweise eben auch an uns. Aber genau so soll es ja auch sein :-) 

Dieses Jahr war schnell vorbei und lässt mich sehr nachdenklich zurück. Ich habe einiges gelernt. Dem neuen Jahr sehe ich mit großer Erwartung entgegen. Ich habe Pläne. Wir haben einiges vor. Und wir starten damit, das neue Jahr zum ersten Mal im Leben leise zu begrüßen. Es wird unsererseits ganz bewusst keine Raketen und Böller geben. Aus verschiedenen Gründen. Und das Geld, welches man dann an Silvester mal nicht verbrennt, ist prima aufgehoben bei Brot für die Welt und der Aktion "Brot statt Böller".

Alles Gute für 2016 - und wie auch immer ihr feiert, rutscht gut rein :-)

FacettenReich 31.12.2015, 03.43

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von u

Alles Gute dir und deiner Familie im Jahr 2016.
Mögen eure Wünsche und Träume in Erfüllung gehen.
LG Ulla S.

vom 01.01.2016, 12.45
1. von isa

dein Jahresrückblick ist sehr bewegend und es kommt so rüber, dass nicht nur eure Kinder ein ganzes Stück gewachsen sind. Du hast die Hürden 2015 gut genommen - wenns auch nicht einfach war! Das freut mich und meine Wünsche für dich und deine Familie im neuen Jahr sind, dass ihr weiterhin gut zusammenhaltet und, dass ihr viele Gelegenheiten finden werdet das Leben in 2016 zu genießen. :-)

vom 01.01.2016, 10.00