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Früheste Kindheitserinnerungen...

Ich bin noch die Sonntagsantwort Nr. 4 schuldig. Sie fiel mir nicht ganz leicht. Also dann...

Ich wollte "kurz" ein bestimmtes Foto dazu suchen, das ich irgendwie im Sinn hatte. Ich bin dann sehr lange in einem sehr unsortiertem Stapel sehr alter Bilder untergetaucht - und was soll ich sagen - das war nicht meine allerschlaueste Idee... Und eine Ãœberraschung vorweg: dieses eine bestimmte Foto existiert wohl nur in meinem Kopf.

Die Fotos hatten meine Brüder an Weihnachten mitgebracht. Letzte Relikte aus längst vergangenen Zeiten. Eine Plastiktüte. Auch in der Tüte der modrige Nikotingeruch, den ich aus der Wohnung meiner Mutter in Erinnerung habe. Die Bilder sind nicht sehr brauchbar. Zum großen Teil sind sie aus verschiedenen Gründen einfach nur peinlich. Aber es waren tatsächlich auch ein paar Schnappschüsse darunter von Momenten, die doch ganz schön waren. Das war eine gute Erkenntnis. Wenn man seine Kindheit eher in schlechter Erinnerung hat, neigt man gern dazu, alles schlecht zu sehen. Deshalb war es ganz gut, so ein paar einzelne Glücksmomente aus dieser Plastiktüte fischen zu können. Sie sollten viel wichtiger sein...

Aber nun zur eigentlichen Frage. Was ist nun meine früheste Kindheitserinnerung? Meine allerfrüheste Kindheitserinnerung galt meinem Vater. Er starb, als ich 4 Jahre alt war. Bisher sagte ich immer, ich war 5. Das war wohl falsch sagen die Bilder. Er war sehr krank und hat vor seinem Tod lange Zeit im Krankenhaus verbracht. Man sagte mir, fast zwei Jahre. Deshalb sind meine Erinnerungen an ihn sehr rudimentär. Es war ein Fach-Krankenhaus etwas weiter weg und wir waren nicht mobil. So war damals an Familienbesuche nicht zu denken. Ich erinnere mich an zwei "Urlaube" vom Krankenhaus. Nein, eigentlich nur an Bruchstücke. An kleine Momente nicht länger als ein paar Sekunden, die mein Hirn irgendwie behalten hat. Ich war da zwischen 3 und 4 Jahre alt. Beim ersten Mal machten wir einen Ausflug in den Zoo Dresden. Dass es der Zoo Dresden war, weiß ich nur von einem Foto. Ich glaube, dass er mir dort eigentlich mehr mit auf den Weg geben wollte. Er kam aus Dresden, war Maurer und auf dem Foto steht er sehr vielsagend an einem "Hier entsteht irgendein Gehege - Schild". Ich mutmaße, er hat dort mitgebaut. In meiner Erinnerung sehe ich keinen Zoo und kein einziges Tier. Auch kein Schild. Ich sitze nur auf seinen Schultern... Der zweite "Urlaub" fand zu Hause statt. Daran erinnere ich mich sehr deutlich. Es war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Ich habe ihn umarmt und es hat ihm weh getan... 


Ich wollte das hier nicht so ganz ohne Foto lassen. Hier bin ich vor seiner Krankheit mit ihm in unserem Garten. Und ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern...

FacettenReich 19.03.2019, 09.40

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Kommentare zu diesem Beitrag

4. von Rita die Spätzin

Liebe Sandra,
einige Zeit hab ich nicht bei Dir gelesen ... unsere Kinheitserinnerungen sind nicht immer die besten ... aber leben müssen wir damit.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles alles Gute.
Grüßle Rita

vom 23.03.2019, 10.26
3. von Ocean

Liebe Sandra,

nun bin ich erst einmal eine Weile "wortlos" vor deinem Eintrag gesessen ..

Bestimmt war es sehr schwer für Dich, diese Erinnerungen in Worte zu fassen...

Schön, dass Du trotz allem auch einige Glücksmomente gefunden hast in den Bildern der Vergangenheit ..

Bei mir sieht es vielleicht auf den ersten Blick nicht so aus - aber da ist auch viel Düsteres, das einen jahrzehntelangen Kampf hinter sich hergezogen hat.

Es fing nur erst später an, so mit 10, 11 ..

Ich versuche aber auch, mich auf das Schöne und Gute zu konzentrieren.

Alles Liebe für Dich,
Ocean

vom 19.03.2019, 21.07
2. von Zitante Christa

Liebe Sandra,
ich freue mich, daß Du Dich selbst dazu bewegen konntest, in dieser Form über Deine Erinnerungen zu berichten, obwohl das ja sehr traurig ist.

Ich gebe zu: einen Tag, nachdem ich die Frage gestellt hatte, erinnerte ich mich an eine kurze Korrespondenz zwischen uns, wo Du davon berichtetest, daß Dir Deine Kinder- und Jugendzeit in unguter Erinnerung geblieben ist. Da hatte ich fast schon ein schlechtes Gewissen, aber wie Du bei mir geschrieben hast, war es dann doch gut so. Es bleibt ja jedem unbelassen, die Fragen mehr oder minder ausführlich - oder auch gar nicht - zu beantworten.

Auch ich habe in einer Plastiktüte mit den alten Fotos gegraben in der Hoffnung, ein etwas mehr mit dem Thema verbundenes Foto zu finden. Auch dabei sind Erinnerungen hochgekommen, die oftmals nicht erfreulich sind. Ich finde auch, wie Du oben schreibst, daß man sich besser mit den angenehmen Sachen befassen soll. Die unschönen Erinnerungen sollten zumindest heutzutage keine keine Belastung mehr darstellen.

Zu Deiner Frage für die nächste Woche habe ich schon eine Liste angefangen und hoffe, ich werde keine Station vergessen. Da kommt einiges zusammen ;-).

Einen lieben Gruß,
Christa

vom 19.03.2019, 15.44
1. von Helga Sievert-Rathjens

Liebe Sandra,
dein Bericht treibt mir die Tränen in die Augen. Wie ist es möglich, dass so viele Gefühle hochkommen beim lesen? Ich selber fand diese Frage auch sehr, sehr schwer, zumal ich, wie du, einiges an schlechten Gefühlen ausklammern wollte.
Du hast die Frage sehr elegant aber auch tiefe Gefühle auslösend beantwortet. Das gibt mir noch so einiges zu fühlen und zu denken.
Liebe Gruße
Helga

vom 19.03.2019, 11.32